Dieser Artikel ist der zweite Teil zu dem Artikel Ein liebevolles Zuhause schaffen. Ich würde empfehlen, diesen zuerst zu lesen.
Wir können also Schatzfinder sein und das Gute was in uns und unserem Außen schlummert heben und vermehren. Doch genauso können wir uns auch für das Gegensätzliche, das Suchen des Schlechten entscheiden. Auch dann bestätigen wir uns immer wieder unsere Erwartungen, weil wir unseren Fokus darauf ausgerichtet haben. Wir können einfach nicht nicht bewerten. Das ist das Problem. Wir schauen nicht offen in die Welt hinaus, sondern durch die Brille unserer Bewertungen.
Die somit unsere Realität darstellt.
Das ist durchaus sehr wichtig für uns. Wir brauchen Bewertungen.
Ohne Bewertungen, die wir erlernt haben, würden wir uns nicht in der Welt zurechtfinden. Wir würden nicht wissen, worauf wir achten müssen, um uns zum Beispiel zu schützen.
Ganz stark wird das zum Beispiel beim Thema Essen deutlich. Je nachdem in welcher Kultur wir aufgewachsen sind, beurteilen wir Lebensmittel als ekelhaft oder lecker. Wem würde hier in Deutschland schon das Wasser im Mund vor Vorfreude zusammenlaufen, wenn er an frittierte Vogelspinnenbeine denkt? Beim Essen ist dieser Mechanismus, evolutionär gesehen, überlebenswichtig. Als Kinder müssen wir von vertrauten Menschen lernen, welche Lebensmittel gefährlich bzw. ungefährlich sind, und dabei orientieren wir uns zum Beispiel am Verhalten unserer Eltern. Außerdem natürlicherweise am Geschmack und an der Farbe des Essens. Das ist einer der Gründe, warum Kinder bittere Lebensmittel selten tolerieren und erst im Laufe des Lebens den Geschmack bitter als ungefährlich erlernen. Hier siehst du auch, wie wichtig es trotz des natürlichen Instinktes der Ablehnung auch wichtig ist, Neues auszuprobieren. Denn nur so können Kinder beim Essen ihr Essenspektrum erweitern. Durch den Zustand der Gewöhnung. Wir essen nämlich in der Regel das gerne, was wir gewohnt sind. Das kann dauern und hier ist Geduld und Einfühlungsvermögen gefragt. Damit Grenzen respektiert, natürliches Verhalten akzeptiert und gleichzeitig zu Neuem motiviert wird. Das ist der schmale, sodass Motivation nicht zu Druck wird, ist selbstverständlich nicht immer leicht zu finden.
Im Übrigen ist das, um es am Rande zu erwähnen, auch der Grund, warum Kinder, die beginnen selbstständiger zu werden und große Entwicklungsschritte machen, zu diesem Zeitpunkt sehr wenig Lebensmittel tolerieren bzw. ausprobieren. Denken wir einmal daran zurück, wo wir herkommen, ist das sehr gut nachvollziehbar. Ein Kind, was in wilder Natur flügge wird, ist sehr gut beraten erst einmal wenig Lebensmittel ohne Kenntnis in seinen Mund zu stecken. Es könnte sich durch Unwissenheit vergiften. An diesem Beispiel sehen wir auch, wie gut teilweise die Instinkte unserer noch wenig sozialisierten Kinder funktionieren und das nur unsere Bewertung als Erwachsene/r darin etwas falsches sieht.
Dass was bei Kindern gilt, gilt auch für uns. Auch für das Thema Essen. Wir können unser Essspektrum durchaus erweitern und sehr viel Neues auch bezüglich unseres Essverhaltens lernen. Dabei müssen wir aber auch bedenken, das neue Gewohnheiten zu entwickeln und auch die Freude daran, Zeit braucht. Also nicht verurteilen, sondern mit verständnisvoller Geduld sich selbst begegnen. Akzeptieren, wie wir Menschen ticken, aber dennoch die positive Veränderung anstreben. Das gilt nicht nur fürs Essen, sondern auch für unsere gesamtes Leben. So zum Beispiel auch für Hobbys, Bewegung und vieles mehr. Ein Leben in der Komfortzone ist bequem und wir brauchen auch einen bequemen und sicheren Raum. Aber eine stete Erweiterung um neue Erfahrungen macht unser Leben bunter und aufregender. Außerdem können wir nur so positive Veränderung anstreben.
Wie stark wir uns aus der Komfortzone herausbewegen, ist aber dabei unsere Sache. Da hat niemand mitzureden und gute Ratschläge zu geben. Wahres Selbstbewusstsein ist das eigene Wissen, was ich mir selbst zutrauen kann und was nicht und was mir guttut und somit meinen Bedürfnissen dient.
Um es noch einmal deutlich zu machen, wie sehr wir unsere Umgebung ausschließlich durch die eigene Brille sehen und somit auch alles aufgrund unserer Bewertungen als positiv oder negativ einstufen, stelle dir doch mal folgendes vor.
Du wirst im Dschungel für eine Stunde ausgesetzt. Und exakt an der gleichen Stelle wird ein Dschungelforscher für eine Stunde ausgesetzt. (Ich gehe jetzt einmal davon aus, dass du kein Dschungelforscher bist.) Du selbst siehst wahrscheinlich ein paar grüne Pflanzen und Tiere und dein Bericht wird wesentlich kürzer ausfallen, als der des Dschungelforschers.
Der sieht nämlich deutlich mehr. Der kann zum Beispiel einzelne Pflanzen und Tierarten benennen, erkennt vielleicht Insekten, die dir gar nicht aufgefallen sind. Erkennt auch Gefahren, die dir nicht bewusst sind. Hat also vielleicht auch mehr Angst und vielleicht aber auch Freude, weil er Pflanzen entdeckt, die eine ganz besondere Bedeutung für ihn haben. Er hat einfach einen grundlegend anderen Wissens- und Erfahrungsschatz und persönlichen Bezug zum Dschungel, der seine Bewertung ganz anders beeinflusst.
Genauso ist es auch mit der Wertschätzung von Dingen und Menschen. Der eine oder die eine kann deren Wert erkennen und andere sehen ihn einfach nicht.
Ganz genauso ist es auch mit Menschen, die grundsätzlich positiver in die Welt schauen, sie werden in ihrer Erwartung des Positiven bestätigt. Die notorischen Pessimisten negativ.
Genauso ist es auch mit der eigenen Selbstwerteinschätzung oder auch der Wahrnehmung der eigenen Stärken. Menschen, die in einem bestärkenderen Umfeld aufgewachsen sind, mit Menschen die diese Stärken überhaupt erkennen können, haben eine andere Sichtweise auf sich und andere, als Menschen die kaum positive Bestätigung erfahren haben.
Das ist zwar nichts Neues, was ich hier schreibe. Dennoch sollten wir uns das immer wieder bewusst machen.
Denken wir nämlich mal daran, was gerade mehrgewichtige Kinder teilweise an Selbstwertverletzungen verkraften müssen, wundert es nicht woher destruktive Gedanken kommen.
Und auch das geht anders. Es gibt tatsächlich auch mehrgewichtige Kinder, die voller Selbstvertrauen durch die Welt gehen. Das hat sehr viel mit der Reaktion des familiären Umfeldes und natürlich auch des gesellschaftlichen Umfeld zu tun. Diese Kinder werden in diesem Fall nicht auf ihr Gewicht reduziert, sondern haben ein Gefühl für ihre weiteren Stärken und ihren Wert vermittelt bekommen.
Ist aber die gesamte Kindheit hindurch nur mein Mehrgewicht und ein Gefühl des „Ich bin nicht okay“ vorrangig, werde ich spätere Kommentare, die in die gleiche Richtung gehen, ganz anders aufnehmen.
Solltest du also heute das Gefühl haben, ich bin einfach nur ein Körper, der von meinem Umfeld als nicht okay angesehen wird. Sonst nichts. Ich finde auch keine Stärken und positiven Aspekte an mir, dann ist das eine erlernte Bewertung durch sehr viele negative Erfahrungen und auch gesellschaftliche Vorgaben. Diese gesellschaftlichen Vorgaben unterliegen einem ständigen Wandel. Alleine aus diesem Grund sollten wir uns fragen, ob es Sinn macht, sich von diesen tyrannisieren zu lassen. Ebenso können wir uns ab einem gewissen Alter auch unser persönliches Umfeld selbst gestalten und uns von toxischen Menschen mehr und mehr distanzieren.
Das ist grundsätzlich das wozu ich dich inspirieren möchte:
Dich wieder mehr von den äußeren Bewertungen zu lösen und deinen eigenen Bewertungen zu folgen. Das ist ein Weg und für mich persönlich ein lebenslanger. Der erste Schritt ist hier die Selbstreflexion.
Schauen wir uns das Wort Bewertung an, wird auch schon deutlich, womit der erste Schritt beginnen kann. Mit dem Finden unserer Werte. Unserer eigenen Werte, die sich auch im Laufe des Lebens verschieben können. Die angeborenen meisten nicht. Aber wenn wir uns nach und nach nach innen richten, kann mancher erworbene Wert auch wieder unwichtiger werden. Ich habe festgestellt, dass eine Verschiebung auch noch mal in den einzelnen Lebensphasen stattfindet. Heut steht zum Beispiel bei mir die Lebensfreude mit dabei. Das war früher unwichtiger für mich, weil noch sehr viel anderes präsent war. Aus diesem Grund reicht es vollkommen aus für den Moment zu schauen, welche Werte momentan unser Leitstern sind. Weitere Anpassungen entwickeln sich. So wie unser gesamtes Leben Entwicklungen unterliegt. Die Frage ist also: Was ist mir wichtig? Wirklich wichtig. Wonach richte ich mich aus? In welche Richtung will ich, dass sich mein Leben entwickelt? Was macht mir Freude? Worauf kann ich auf keinen Fall verzichten? Für was lohnt es sich für mich zu kämpfen?
Es gibt auch sehr gute Bücher zu diesem Thema, wo du dich ganz intensiv mit dem Thema Werte auseinandersetzen kannst. Im Internet gibt es auch als Anregung Wertelisten.
Ich empfehle dir also, dir deinen eigenen Kompass zu erstellen, um dich vom Außen zu lösen.
Diesen Kompass kannst du immer wieder neu ausrichten. Er hilft dir im ersten Schritt abzugleichen, ob das was du gerade tust, das Richtige ist.
Im nächsten Schritt ist es dann wichtig, deine eigenen Bewertungen zu verschiedenen Themen zu hinterfragen. Denn je nachdem wie deine Bewertung von verschiedenen Themen ausfällt, kannst du dir selbst die Hölle auf Erden bereiten. Denn deine Bewertungen beeinflussen sehr stark deine Erwartungen. Und letztendlich sind es oftmals die eigenen Erwartungen, die zu unserem Gefängnis der Unzufriedenheit werden. Oftmals sind es nämlich nicht die Erwartungen der anderen, sondern unsere eigenen im Laufe des Lebens entwickelten, die uns tyrannisieren. Die haben wir zu allen möglichen Themen entwickelt. Als Maßstab für uns selbst, ohne zu hinterfragen, ob dieser angemessen ist.
„Erwartung ist die Wurzel allen Kummers.“ — William Shakespeare
Alles Liebe und Gute!
Britta 💚